Platt – wie alt bist du?

  

Bei den meisten Orten wird man bei der Suche nach einem Gründungsdatum sehr bald seine Illusionen los. Ein Dokument, die Grundsteinlegung betreffend, gibt es nur sehr selten. So verhält es sich auch in Platt. Allein der Ortsname selbst deutet eindeutig darauf hin, dass wir es nicht mit einer Neugründung fränkischer oder bayrischer Siedler zu tun haben. Platt – Plade – Blato – weist auf einen slawischen Ursprung hin und bedeutet Sumpf, Schlamm, Kot, …, was bei unserer lehmhaltigen Erde bei ein paar Regentropfen in der Praxis sehr nachvollziehbar erscheint.

 

Aber nochmals zurück zu Grundlegendem: je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto größer die Unschärfen. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts werden in Platt Pfarrmatriken geführt – anfangs noch mit Lücken und teilweise auch noch sehr ungenau, gehören diese Aufzeichnungen über Taufen, Trauungen und Todesfällen aber doch zu den wichtigsten Quellen unserer Ortsgeschichte.

 

Schriftliche Quellen davor kommen dann in Richtung Vergangenheit leider nur mehr in immer größer werdenden Abständen. Unsere Heimatgeschichte kann immer öfter nur noch anhand einzelner Ereignisse festgemacht werden. Immer dichter werden die „Nebel“, die unsere Vergangenheit verschleiern. Einzelne Besitzveränderungen diverser Herrschaften sind dann bald die einzigen schriftlichen Zeugnisse unserer Existenz. Vieles von damals ist leider schon längst verloren gegangen. So manches Schriftstück, so manches Buch, so manche Bibliothek wurde zerstört und ist verbrannt.

 

Das Mittelalter war eben eine raue Zeit!

 

Immer öfter muss man die wenigen vorhandenen schriftlichen Quellen mit Logik und Rückschlüssen so weit wie möglich vervollständigen.

 

Die älteste Nennung unseres Ortes kommt von alten Traditionsnotizen von den 4 Klöstern Asbach, Aldersbach, St. Nikola und Reichersberg. Diese Traditionsnotizen beschreiben chronologisch Besitzzuwächse und - abgänge dieser Klöster, sind aber meist nicht datiert.

Traditionsnotizen Asbach (Quelle: Bayrisches Staatsarchiv)
Traditionsnotizen Asbach (Quelle: Bayrisches Staatsarchiv)

 

Auf Grund von Namensnennungen von Spendern, aber auch von genannten Päpsten und Äbten, lassen sich die damaligen Ereignisse meist in einen Zeitrahmen von ca. 10 Jahren einordnen. In unserem Fall schenkt die Witwe Elisabeth von Ortenburg je 1 Platter Gut an die genannten 4 Klöster – und zwar zwischen 1185 und 1195. So oder so ähnlich steht es auch in den beiden regionalen Ortschroniken von Matthias Fidesser und Christina Mochty-Weltin, Ernst Bezemek und Wilhelm Ostap.

 

Soweit – so bekannt. Ein Zeitraum von 10 Jahren ist allerdings für einen Heimatverein sehr unzufrieden stellend. Wir haben uns damit lange intensiv beschäftigt und versucht, ein Jahr, welches sich zumindest durch logische Rückschlüsse aus diversen Texten ergibt, zu finden – und wir haben es gefunden!

 

Bisher ging man davon aus, dass im 12. Jahrhundert in einer äußerst patriachalisch geprägten Gesellschaft, die Witwe Elisabeth von Ortenburg diese 4 Platter Güter nur deswegen an diese 4 Klöster verschenken konnte, weil sie diese zuvor von ihrem Mann Graf Rapoto I. von Ortenburg (gest. am 26.08.1186 – manche Quellen schreiben auch vom 26.08.1190, das ist aber für uns nicht so wichtig) geerbt hat. Das kann schon stimmen, muss es aber nicht.

 

Denn wenn man noch eine Stufe zurückblickt, taucht ein Name auf, der einen hier Ansässigen sehr bekannt vorkommen wird. Graf Rapoto I. von Ortenburg heiratete ca. 1163 seine Frau Elisabeth von SULZBACH, Tochter von Gebhard II. von Sulzbach. Durch Platt fließt der Sulzbach und mündet in Zellerndorf in die Pulkau. DIESE NAMENSGLEICHHEIT IST KEIN ZUFALL!

 

Die Sulzbacher gehörten damals zu den führenden Adelsgeschlechtern in Bayern und es gilt als sicher, dass viele Ortenburger Güter zuvor in Sulzbacher Besitz standen (siehe auch das Buch „Stammreihe und Geschichte der Grafen von Sulzbach“ von Prof. Joseph Moritz von 1833).

 

 

Aus diesem hier genannten Buch aus dem Jahr 1833 geht auch hervor, dass diese 4 Schenkungen an diese 4 Klöster mit Gegenleistungen verknüpft waren – nämlich sollten dafür Messen zum Seelenheil für Elisabeth selbst, aber auch für ihren Mann Rapoto I., ihre Eltern Gebhard II. und Mechthild von Sulzbach, und ihr Bruder Bernger II. von Sulzbach – also mehrheitlich Messlesungen für den Sulzbacher Zweig.

 

Die Sulzbacher waren also schon vor den Ortenburgern Grundherren von Platt, aber wann wechselten die Besitzer? War es schon bei der Hochzeit 1163? Man weiß es nicht. Spätestens aber mit dem Tod von Gebhard II. von Sulzbach (Vater von Elisabeth) im Jahr 1188 muss es aber gewesen sein.

 

1188

 

muss also über Rückschlussverfahren als älteste Jahreszahl gelten.

 

Wahrscheinlich waren die Sulzbacher die ersten bayrischen Grundherren in Platt, die sich über Gefolgsleute (Reginboto und Otto de Plade) in unserem Heimatort, eines damals bereits bestehenden slawisch-mährischen Dorfes, in friedlicher Nachbarschaft, wahrscheinlich mit Schutzfunktion, ansiedelten.

 

Wieso „in friedlicher Nachbarschaft“? 1) Wäre es eine Neugründung gewesen, hätte man sicher keinen slawischen Ortsnamen belassen. 2) Wäre der Ort feindlich von bayrischen Siedlern übernommen worden, hätte unser Heimatort ebenfalls einen anderen Namen.

 

Nein – es war ein friedliches Ansiedeln von bayrischen Gefolgsleuten der einflussreichen Adelsfamilie der Sulzbacher, die sich mit der Namensgebung unseres kleinen Baches begnügte. Bestimmt wurden die Herrschaftsgepflogenheiten wie zum Beispiel das Steuern eintreiben, sehr bald eingeführt. Die damaligen „Ureinwohner“ konnten sich aber bestimmt leicht damit anfreunden, da mit diesen Neuerungen auch eine Art Schutzleistung inkludiert war. Die immer wiederkehrenden Raubzüge von Hunnen, Ungarn, etc. waren damals bestimmt nicht nur lästig, sondern auch lebensgefährlich. Noch im 18. Jahrhundert stehen im ältesten noch erhaltenen Grundbuch nicht die Worte „Steuern“ oder „Abgaben“ – es steht: „Schutzgeld“.

 

Andere Schutzherren gab es damals nicht. Das sogenannte Großmährische Reich (eher richtig: Alt-Mähren) war eher nur eine Gebietsbezeichnung, als ein Herrschaftsgebiet. Die Franken und Bayern haben unser Wald- und Weinviertel also nicht erobert. Sie haben sich vielmehr in bereits dünn besiedeltes Gebiet begeben, in bestehenden Dörfern westliche Regeln und Werte verbreitet, und neue Orte gegründet.

 

Wann der Besitz von den Sulzbachern an die Ortenburger kam, ist nicht überliefert. Es muss aber spätestens 1188 durch dem Tod von Gebhard II. von Sulzbach gewesen sein.

 

Wann die Sulzbacher im damaligen Plade auftauchten, ist ebenfalls nicht mehr festzustellen. Sitzendorf wurde ca. 1020 von den bayrischen Sieghartingern gegründet. Die Sulzbacher kamen wahrscheinlich erst später in unsere Gegend.

  

Davor gab es aber jedenfalls bereits diese slawisch-mährische Siedlung. Aber seit wann? Und was war davor?

 

Zwischen ca. 450 v. Christi Geburt bis knapp vor dem Jahr 0 siedelten auf dem Sandberg die Kelten mit einer Siedlungsfläche von ca. 22 Hektar (!!!) mit 449 erfassten Grubenhäusern, 698 Siedlungsgruben, 5 Heiligtümern, mehreren Marktplätzen und mit einer Münzprägestätte. Nach Christi Geburt verlieren sich die keltischen Spuren. Wurden sie vertrieben? Gingen sie freiwillig? Oder siedelten sich vielleicht ein paar Familien im heutigen Platter Ortsgebiet an? Wäre eine kontinuierliche Besiedelung denkbar? Denkbar ja, reine Spekulation, aber denkbar.

 

Aber schon viel früher war Platt und seine Umgebung besiedelt. Zahlreiche Funde zeugen von reger Siedlungstätigkeit bereits in der Kupfer- und Bronzezeit, aber auch schon in der Steinzeit. Die ältesten Fundstücke belegen die ersten „Ur-Platter“ schon vor ca. 7.400 Jahren!!! Prof. Franz Hnizdo war maßgeblich an der Erforschung dieser Zeit beteiligt. Er war der Initiator für die Errichtung des Platter Steinzeitkellers. Frau Renate Huber sorgt noch heute für den Weiterbetrieb. Beiden sei an dieser Stelle gedankt.

 

Dass die heutigen alten Platter Familien von den Sandbergkelten, oder gar von den Steinzeitsiedlern abstammen ist aber doch eher unwahrscheinlich. Immer wieder wurde unsere Gegend von diversen Reitervölkern aus dem Osten überfallen. Später kamen die Hussiten, noch später die Schweden. All die Grausamkeiten inklusive, die solche Überfälle mit sich brachten.

 

Zum Beispiel kennen wir als erste Größenbeschreibung unseres Ortes 56 Häuser im Jahr 1590 (Quelle: NÖLA, Bereitungsbuch UM fol. 28r). 42 Jahre später standen im Jahr 1632, also während des 30-jährigen Krieges, allerdings nur noch 18 Häuser (Quelle: Retzer Stadtarchiv, Kontributionsbezirksbeschreibung). 

 

Da musste unser Ort wahrscheinlich einige Male mit neuen Einwohnern „nachbesetzt“ werden.